Wenn Architekturbüros mit Projektideen in die Medien gehen: Fördern Sie damit den öffentlichen Dialog, machen sie Politik oder bloss redaktionelle PR? Das Büro für Stadtfragen hat dazu Walter Wäschle, Mitinhaber des Atelier WW, Zürich befragt.

Walter Wäschle: Sie gehen mit eigenen Projekten und ohne Auftrag in die Medien? Haben Sie die besseren Ideen als alle anderen?

Walter Wäschle: Es scheint so. Bei der Duplex-Arena und beim Standort für das Kongresshaus Zürich haben wir Ideen, die andere offensichtlich nicht hatten.

Was wollen Sie mit Hilfe der Medien genau erreichen?

Die Projekte, besser deren Machbarkeit, soll bekannt gemacht werden und ein Dialog unter den Politikern und den Betroffenen entstehen. Klar haben wir im Fall des Kongresshauses vorher recherchiert, ob die Kongresshausgesellschaft diesen Standort überhaupt will. Der Verwaltungsrat fand die Idee genial. Erst dann haben wir gesagt: Das machen wir öffentlich und zeigen, dass es geht!

Glauben Sie, dass sich z.B. die Behörden diese Überlegungen nicht machen?

Doch schon. Ursprünglich war beim Kongresshau der Standort Carparkplatz auf einer Liste. Er ist aber dann kurzfristig weggefallen und niemand wusste, weshalb eigentlich. Vielleicht war es das schlechte Image dieses Ortes. Aus unserer Sicht gibt es jedoch kaum einen Grund, der gegen diesen Standort spricht.

Haben Sie die Idee, mit Projekten an die Medien zu gehen, von einem PR-Büro?

Nein, das machen wir selber. Wir beschäftigen kein PR-Büro.

Und wie funktioniert das konkret? Sie rufen beim Tagi an und sagen denen: Jetzt müsst ihr dieses Projekt lancieren.

So ist es. Der Tagesanzeiger ist dankbar für eine gute und aktuelle Geschichte. Und wir lösen damit etwas aus. So wie damals, als wir die Idee für das Seerestaurant lanciert habe.

Für eine PR-Aktion genügt also ein Anruf beim Tagi. Können das andere Architekten auch?

Sicher, das können andere auch. Sie sehen das aber zu einfach: Der Effekt alleine genügt nicht. Es muss um einen konkreten Inhalt gehen. Ob der gut ist, entscheidet die Zeitung, nicht wir.

Aber Sie treffen in der Redaktion auf offene Ohren.

Um das klar zu stellen: Wir fahren mit dem Tagesanzeiger keine Beziehungsgeschichte. Es reicht bei weitem nicht, mit einer netten Idee auf die Redaktion zu gehen. Ein gutes Thema muss die Leute interessieren, und die journalistische Qualität muss stimmen.

Liefern sie den Text gleich mit?

Nein, wir liefern nur das Projekt.

Bezahlen Sie für die Berichterstattung?

(lacht) Nein. Wir machen keine Publi-Reportagen. Das ist eine andere Schublade.

Es gibt aber grosse Architekturbüros, die im Tagi ganzseitige Werbeinserate geschaltet haben.

Das ist ‚Selbstbeweihräucherung’ und entspricht nicht unserem Stil.

Sie sprechen eine alte Verhaltensregel in der Branche an?

Ja, es ist noch nicht lange her, da war das Werbeverbot für uns Architekten eine klare Vorgabe. Ich meine, wir Architekten haben nach wie vor einen Status, der mit jenem von Juristen vergleichbar ist. Juristen machen keine Werbung.

Zurück zu den eigenen Machbarkeitsstudien. Leisten Sie sich den internen Aufwand dafür allein für die Stadt Zürich?

Natürlich ist das Vorgehen nicht ganz uneigennützig. Wir sagen uns: Vielleicht kann aus einer solchen Machbarkeitsstudie ein Anschlussauftrag entstehen; oder wertvolle Beziehungen, an die wir anknüpfen können. Es geht letztlich um die öffentliche Wahrnehmung unseres Büros. Für den Aufwand einer internen Machbarkeitsstudie verzichten wir z.B. auf eine Wettbewerbsteilnahme.

Was hat eine PR-Aktion mit ihrer Wettbewerbstätigkeit zu tun?

Wir sind eines der wenigen grossen Büros in Zürich, das noch an öffentlichen Wettbewerben teilnimmt. Für andere sind die Chancen auf einen Projektauftrag zu klein. Vielleicht hat dies noch einen anderen Grund: Einen dritten oder vierten Wettbewerbs-Preis nimmt die Öffentlichkeit kaum wahr.

Welche Bedeutung haben die Medien für die Architektur und die Stadtentwicklung?

Sie sind sehr wichtig, weil sie die Volksmeinung bilden.

Ist ein Dialog über Architektur in den Medien tatsächlich möglich?

Auf jeden Fall. Themen der Stadtentwicklung und der Architektur müssen alle interessieren.

Und wieso bedienen sie dann den Tagi exklusiv? Es gibt andere Medien.

Ja, aber dann müssten wir eine Pressekonferenz durchführen. Auf direktem Weg haben wir einen gewissen Einfluss auf den Artikel, wir können ihn gegenlesen. Unsere Erfahrung ist, dass eine gestreute Medieninfo nicht kontrollierbar ist. Es wird dann viel geschrieben, das nicht stimmt, und die Themen werden eher oberflächlich abgehandelt. Natürlich sind wir auch mit verschieden Medien im Dialog.

Schauen wir auf die Wirkung: Was haben Sie mit der Duplex-Arena und dem Vorstoss beim Kongresshausstandort konkret erreicht?

Die Ideen wurden gut aufgenommen und sind noch nicht vom Tisch. Ein paar Kollegen haben mir per Mail gratuliert, darunter namhafte Büros. Vor allem zum Kongresshaus erhielten wir eine breite Zustimmung. Natürlich gibt es auch Neider, obwohl das nicht nötig ist. Wir sagen immer deutlich, dass es bei wichtigen Aufgaben einen Architekturwettbewerb geben muss. Unser Vorgehen ist deshalb ganz im Sinn unserer Berufskollegen: Aus der richtigen Idee kann ein Wettbewerb entstehen, daraus ein realisierbares Projekt, gute Architektur und schliesslich profitiert die ganze Stadt.

Und die Politik?

Beim Kongresshaus waren wir sehr positiv überrascht von Frau Martellis Reaktion. Wichtiger ist aber, dass wir im Prozess einen Schritt weiter sind: So ist jetzt der Standort beim Carparkplatz, den wir vorschlagen, wieder im Gesamtpaket der Überlegungen enthalten.

Gemäss Tagi-Artikel vom 10. Juli stehen die Stadt, der ZSC und die CS einer Duplex-Arena eher ablehnend gegenüber?

Jetzt sind wir wieder bei Null. Wir haben eine gute Option aufgezeigt. Aus meiner Sicht will leider kaum jemand zugeben, dass die Duplex-Arena eigentlich eine gute Sache ist.

Reden wir nochmals über Politik: Sind Sie ein politischer Mensch?

Nein.

Aber Architektur ist doch eine öffentliche Angelegenheit und deshalb politisch. Sie machen mit Architektur-Lösungen Politik.

Wir versuchen eigentlich nicht, Lösungen anzubieten, sondern Ideen zu verkaufen. Und wenn man sie öffentlich verkaufen will, muss die Idee ein Gesicht haben. Das Kongresshaus wird nie so aussehen, wie wir es präsentiert haben. Wir haben die Idee für den Standort und die Machbarkeit aufgezeigt.

Meinen Sie, der oder die durchschnittliche Leser/in des Tagi versteht diese Art von bildlich überzeichneter Abstraktion?

Nein, aber die Politiker/innen verstehen es. Deshalb müssen wir bei der Vermittlung bildlich soweit gehen. Intern haben wir aber immer eine Diskussion darüber, wieweit eine Visualisierung gehen soll.

„Der Sieg der medial auftrumpfenden Architektur ist ihre bitterste Niederlage”, sagt Gerhard Matzig von der Süddeutschen Zeitung, stimmen Sie ihm zu?

Kann sein, dass Architektur heute auch durch die Medien gemacht wird – vor allem die internationale. Für ein Objekt von Zaha Hadid ist das in Ordnung. Wenn aber jedes Wohnhaus den Anspruch medialer Aufmerksamkeit erfüllen muss, um Architektur zu sein, dann haben wir, dann haben Städte und Orte ein Problem.

Medienarbeit ist nur ein Instrument in der Kommunikation. Was tun Sie sonst noch?

Wir machen eigene Publikationen, Broschüren, einen jährlichen Flyer mit den wichtigsten Projekten. Wichtig sind uns thematische Publikation wie waiting lands: Strategien für Industriebrachen. Damit können wir zusammen mit Partnern aktuelle Fragen aus der Praxis aufbereiten.

Walter Wäschle, welche Idee lancieren Sie als Nächstes?

Ich weiss es nicht. Und wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen.

 

Interview: Thomas Stadelmann

www.atelier-ww.ch