Am Anfang war das Plakat. Mittlerweile wird Stadt als Hülle für die kommerzielle Kommunikation in verschiedensten Formen temporär gestaltet; der Wettbewerb um Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum ist hart umkämpft und die Zukunft wird digital. Die Baustellenplakatierung auf dem Luzerner Rathausplatz trägt eine harmlose und amüsante Episode zum Thema bei: Eberli’s Stadteingang in die Luzerner Altstadt. Jetzt wird die Baustelle temporär eingepackt.

(sta) Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum entscheidet sich oft in Zentimetern und harten Diskussionen. In naher Zukunft werden die Diskussionen vermehrt von digitalen Formen der Kommunikation im öffentlichen Raum handeln: Medienfassaden, Out-of-home-Displays, Digital signage, Crossmedia in Echtzeit oder QR-Codes sind nur eine Auswahl von Stichworten, mit denen Werbestrategen schon heute eifrig an der Zukunft des Öffentlichen Raums arbeiten. Entwerfen und Gestalten wird dadurch zu einem Hybrid Design, an dem verschiedene Disziplinen beteiligt sind, auch die Architektur.

Neue Realitäten

2009 haben Teradadesign und Qosmo das N-Building realisiert: Der QR-Code (ein Identifikationssystem zur mobilen Datenerfassung z.B. durch Mobiltelefone) funktioniert als Fassade des Bürohauses in Tokyo. Das Beispiel zeigt: Werbung ist in dieser Form nicht mehr nur eine ökonomisch motivierte und legitimierbare Angelegenheit, sie wird  Teil der Kultur und ihres Kommunikationsraums und damit auch Bestandteil von Architektur. Die Diskussion um das Thema Medien und Stadt wird dadurch zwar erfrischend anders, bleibt jedoch nicht weniger verwirrend und wird gewiss hier und da Widerstände auslösen. Tim Elder von REALITIES:UNITED, eine Firma von Architekten und Künstlern, die sich auf Medienfassaden spezialisiert haben, hat die Situation mit dem Titel seines Vortrages an der Hochschule Luzern auf den Punkt gebracht: “ARCHITEKTUR MACHT KUNST STADT WERBUNG”.

Ausnahme Baustelle

Zurück in die Schweiz, nach Luzern, auf den Rathausplatz: Gesetzlich mehr Luft haben hier temporäre Formen öffentlicher Werbung und Selbstdarstellung: Events oder eben Baustellen. Sie schaffen zwischenzeitlich neue Mitteilungsflächen an Orten, die ansonsten aus historischen Gründen besonderen Schutz geniessen, sogar tabu sind. Urbanistisch kann deshalb die Frage immer wieder gestellt werden: Wie lange dauert nun eigentlich temporär, und welche Ansprüche sollen an die Gestaltung der temporären Stadtplakatierung, an die Vermehrung des öffentlichen Werberaums gestellt werden? Die Stadt Luzern setzt auf den gesunden Menschenverstand und weniger Bürokratie. Baustellenwerbung ist generell nicht bewilligungspflichtig. Diese Praxis folgt der kantonalen Reklameverordnung und gilt demnach sowohl in der Altstadt als auch entlang einer Hauptstrasse. Baustelle ist Baustelle, oder doch nicht?

Wie lange dauert temporär?

Zwischen Oktober 2010 und Dezember 2011 baut Architekt Ivan Bühler im Brandgässli ein Privathaus um. Gemäss Praxis gilt auch hier: Die über einjährige Baustellenplakatierung am Kran-Installationsplatz mitten auf dem Luzerner Rathausplatz ist temporär, somit eine werbetechnische Ausnahme und nicht bewilligungspflichtig. Das Resultat war nun einige Wochen zu bewundern: Eberli’s plakatierter Stadteingang in die Luzerner Altstadt, von weither sichtbar, direkt in der Sichtachse Achse zwischen Luzerner Theater und Rathausplatz. Für diejenigen, denen die Werbung bisher trotzdem noch nicht aufgefallen ist: Eberli ist eine Baufirma aus Sarnen, ja, es ist dieselbe Firma, die die Sportarena mitbaut. Droht dem luzernischen Stadtraum die gestalterische Verlandung? Nein. Jetzt soll die provinzielle Werbe-Episode ein Ende haben. Die Baustelle wird neu eingepackt – unbewilligt? Hoffentlich droht Luzern kein weiteres Kulturtheater. Fest steht: Temporär dauert in Sachen Baustellenplakatierung so lange, wie gebaut wird, und gebaut wird immer irgendwo.