Die Realisierung der Bergwelten Salwideli in der Kernzone der UNESCO Biosphäre Entlebuch war anspruchsvoll. Stadtfragen erörterte im Interview mit Tanja Temel, wie das Bauen in den Bergen, zusammen mit dem Architekten Marc Syfrig, gelang. Für ihre Zukunft wünscht sich die Architektin auch Projekte mit internationaler Beteiligung. Und sie wird sich weiterhin für eine Herzenssache engagieren: Die Förderung der Kindermedizin.

Text / Fotos: Stadtfragen 2024 / Marco Leu, Rothenburg (zvg)

Baue so gut wie du kannst. Nicht besser.” – Adolf Loos1

sta. Im Schatten der Schrattenfluh, unweit des Skiortes Sörenberg, entfaltet das Salwideli seine Anziehung: ein Ort der Kraft, mitten in der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Ursprünglich als Standort für militärische Unterkünfte genutzt, hat es sich zu einem ganzjährigen, ruhigen Freizeit- und Ferienort entwickelt Die Eröffnung der Bergwelten Salwideli im Dezember 2023 markierte einen bedeutenden Schritt in die Zukunft: Das Angebot umfasst nun neben Gastronomie, einem Ferienlager und einfachen Hotelzimmern auch einen gehobenen Hotelbetrieb mit 14 Zimmern. Nach den ersten 100 Tage Betrieb stehen die Pächter und die Messerli-Stiftung als Eigentümerin vor betrieblichen Herausforderungen.

Thomas Stadelmann(sta): Tanja, drei Monate vor der Eröffnung erhielten die Bergwelten Salwideli bereits einen Award für Innovation. GastroSuisse spricht in der Beurteilung von einem Leuchtturm, verliert jedoch kaum ein Wort über die Architektur. Wie erklärst du dir das?

Tanja Temel (TT): Mit dem Zweck des Preises: Er fördert innovative Betriebskonzepte und nicht Gebäude. Für die Auszeichnung waren deshalb die Positionierung und Umsetzung der Marke Bergwelten Salwideli entscheidend: das Nutzungsangebot, der Auftritt und Angebot der Gastronomie, das 3D-Landschaftsrelief und kreative Lösungen wie die Beschriftung der Räume in Äntlibuecher Mundart.

Gut sichtbar vor dem Hintergrund der Schrattenfluh gelegen: die Bergwelten Salwideli. Foto: zvg

Der Um- und Neubau war ein Direktauftrag der Messerli-Stiftung an dein Büro sowie an deinen ehemaligen Chef und Büropartner Marc Syfrig. Wozu brauchte es zwei Büros für eine Aufgabe?

TT: Ich hätte diese Aufgabe durchaus allein meistern können (lacht). Für ein Auftragsverhältnis gibt es aber immer verschiedene Lösungen, die richtig sind. Der Direktauftrag hatte eine längere Vorgeschichte: Das Salwideli hat Marc und mich bei Scheitlin Syfrig Architekten schon mehrere Jahre vor dem Auftrag Bergwelten Salwideli beschäftigt. Bei der Messerli-Stiftung, der Eigentümerin, waren wir dadurch als starkes Team in guter Erinnerung. Das Vertrauen in unsere gegenseitig ergänzenden Arbeitsweisen baute sich über Jahre auf, ganz zum Vorteil des Projekts.

Was meinst du mit “ergänzende Arbeitsweise”?

Marc ist besonders stark bei der Interpretation der Aufgabe, und er hat den richtigen, offenen Blick von aussen auf den jeweiligen Ort, die Aufgabe und die beteiligten Akteure. Ich arbeite gern von innen nach aussen, von der Nutzung und Anordnung über die Materialisierung der Innenräume bis zur Gestaltung einzelner Details. In dieser Konstellation entstehen zwischen uns immer kontroverse Diskussionen und Meinungen, die letztlich zu einer guten Lösungen führen. Ich bin überzeugt, dass davon auch die Bauherrschaft im Salwideli profitiert hat.

Das Bauprojekt liegt in der ökologisch und landschaftlich sensiblen Kernzone der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Ein Wettbewerbsverfahren mit lokalen und regionalen bzw. mit etablierten und jüngeren Teams hätte eine Auswahl und Diskussion von verschiedenen Ansätzen ermöglicht. Im Vorstand des SIA-Zentralschweiz hast du dich für Konkurrenzverfahren im Sinn der Baukultur stark gemacht. Weshalb nicht im Salwideli?

Über das Verfahren entschied in diesem Fall die Messerli-Stiftung als Besitzerin. Ich habe erwähnt, dass die langjährige Zusammenarbeit mitunter Grund für den Direktauftrag war. Zum besseren Verständnis: Vor Jahren ging es um Zukunftsfragen: Worin liegt das Potenzial des Kraftortes? Wer sind unsere Gäste in zehn Jahren? Wie viel Attraktion darf im Salwideli stattfinden? Was ist die richtige Nutzung, um den Standort ökonomisch aufzuwerten und seine Ruhe und Ausstrahlungskraft zu bewahren? Warum und was sollen wir bauen? Um daraus eine tragfähige Vision abzuleiten, zog die Bauherrschaft bei der Entwicklungsplanung für den Standort Salwideli verschiedene Expert:innen zu Rate. Als Architekten haben wir dazu unterschiedliche bauliche Ansätze beigetragen. Es war keineswegs so, dass wir quasi im Alleingang die perfekte Lösung vorgeschlagen haben.

Vom Typ Nurdachhaus: dunkler Sockel und schimmerndes Schindeldach, dazwischen der Speisesaal mit Aussicht. Foto: zvg

Trotzdem: “Der Heimatschutz hätte sich an diesem Ort eine Beurteilung auf der Grundlage von mehreren Projekten aus einem Wettbewerb gewünscht”, erinnert sich Richard Kretz, Luzerner Vertreter des (IHS) auf Anfrage an die damaligen Verhandlungen.

Wie gesagt: Die Bauherrschaft entscheidet über das Verfahren. Vielleicht kann ich deine kritische Frage präziser beantworten: Bauen ist nicht nur eine Frage professioneller bzw. kultureller Vorstellungen oder der richtigen Anwendung von baugesetzlichen Vorlagen. Bauen ist eine Sache des Vertrauens – ich behaupte, sogar zur Hälfte geht es um die Gestaltung von Beziehungen zwischen mehreren Akteuren. Architektur kann nie alle Fragen alleine beantworten. Die gute Lösung entsteht von der Entwicklung einer Vision über die Planung und den Bau, bis zum Betrieb – mit oder ohne Wettbewerb. Die Bergwelten Salwideli sind kollaborativ entstanden, das heisst in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit von der Entwicklung bis zum fertigen Bau.

Wie lautete die architektonische Idee für den Um- und Neubau?

Wir sind dem Leitthema Verortung mit zwei Ansätzen gefolgt: Erstens entschieden wir uns beim Hotelneubau für einen eigenständigen Baukörper und gegen eine formale bauliche Verschmelzung mit dem bestehenden Gebäude. Zweitens wagten wir bei der Formgebung, Materialisierung und beim Ausdruck des Gebäudes eine Umwandlung von prägenden Themen, die wir vor Ort und in der Region entdeckt haben. Wir nennen das Vorgehen im Entwurf architektonische Transformation.

Ihr schreibt dazu: “Die mächtigen Kristallinen-Kuben wurden zu Vorbildern”? Kannst du das bitte näher erklären?

Die «kristallinen Kuben» stehen sinnbildlich für die karstige und kantige Berglandschaft der Schrattenfluh. Der Anblick der umgebenden Berge ist alles andere als harmonisch. Die Berglandschaft ändert sich je nach Standort, Tageszeit und Wetter kurzfristig und oft sehr überraschend. Auch die bestehenden Landwirtschaftsbauten in der Region würden wir in ihrem Ausdruck als kantig bezeichnen: Ensembles aus Wohngebäuden, Ställen und kleineren Nebenbauten, die in kleinen Gruppen aufgestellt , aneinandergereiht oder sogar gestapelt sind. Wie die verschiedenen Nutzungen an Ort und gegenüber der Landschaft adressiert, organisiert und gebaut sind, haben wir beim Hotelneubau als Material für die Transformation verwendet. Was wir in den Region entdeckt haben, wurde quasi vor Ort im Salwideli umgewandelt. Wichtig war, dass durch unsere Arbeit die bauliche, landschaftliche und die kulturelle Identität des Ortes respektiert oder sogar aufgewertet wird.

Nicht leicht zu finden aber an richtiger Stelle platziert: der Hoteleingang in hellem Holz. Foto: Stadtfragen 2024

Typologisch könnte man den Neubau als Nurdachhaus bezeichnen: eine Anlehnung an die Urhütte der Architektur, die aus einem Dach und einem Sockel besteht. Stimmt diese Lesart?

Wieso nicht. Der Neubau hat einen Sockel, der das Eingangsgeschoss für den Empfang beherbergt. Darüber setzt der viereckige Dachraum mit den 14 neuen Hotelzimmern an. Die schrägen Gebäudekanten verjüngen sich gegen oben, die Ansicht an das Gebäude ändert sich dadurch je nach Orientierung des Blicks. Die äussere Form erinnert tatsächlich an ein Nurdachhaus. Zwischen dem Sockel und dem Dach ist der Speisesaal angeordnet. Diese Räume verstehen wir, bildlich gesprochen, als Schattenfuge. Sie bietet im Innern freie Rundsicht auf die wunderschöne Umgebung.

Gleichzeitig mit dem Neubau musste der Anschluss an den bisherigen Betrieb gelingen? Wie habt ihr das geschafft?

Im Gebäudeschnitt, an den Oberflächen und in Kleinstarbeit! Der neue Speisesaal ist direkt mit dem ursprünglichen Restaurant verbunden. Die Zimmer in den Obergeschossen verbindet ein Gang. Was einfach klingt, war aufgrund der bestehenden Raumhöhen in der Umsetzung eine umso grössere Herausforderung. Es ging dabei immer um Zentimeter. Die Aufgabenstellung lautete, den Neubau und die Aufwertung der bisherigen, einfachen Übernachtungsmöglichkeiten gleichwertig zu behandeln. Wir mussten den Bestand also so sanieren, dass er neben dem Neubau funktional, atmosphärisch und in der räumlichen Qualität bestehen kann. Verglichen mit dem Neubau standen uns dazu deutlich weniger Mitteln zur Verfügung.

Was heisst deutlich weniger?

Sieben Millionen Franken betrugen die Gesamtkosten. Im Vergleich zwischen Neubau und Sanierung sind wir bei einem Kostenanteil von 70 zu 30 Prozent gelandet. Im Altbau haben wir die Mittel für die Anpassung der haustechnischen Installationen und die Auffrischung sämtlicher Oberflächen im bestehenden Restaurant eingesetzt. Es gelang uns, für die 45 Sitzplätze eine komplett neue Welt zu schaffen.

Ein angeblich sehr beliebtes Fotosujet: Blick in das neu gestaltete Restaurant. Bild: zvg

Welche Themen wurden mit der Bauherrschaft besonders hart verhandelt?

Das Projekt stand unter keinem Druck einer zu erzielenden Rendite. Die Bestellung der Messerli-Stiftung lautete, eine zukunftsfähige Infrastruktur für Hotelgäste im Neu- und im Altbau, für Jugendliche im alten Lagerhaus sowie für die Gäste im Restaurant zu realisieren. Wie in jedem Projekt gab es Diskussionen um Inhalte, Lösungen und Kosten. Die beste Lösung war immer jene, die der Vision treu blieb und nicht nach Luxus verlangte. Beim Umbau der bestehenden Zimmer und beim Massenlager hat die Bauherrschaft unsere Ideen nicht ganz umgesetzt. Heute sehen wir ein, dass es richtig war, den einfach ausgestatteten Betrieb neben dem hochwertigeren Standard im Hotelneubau bestehen zu lassen. Den Unterschied haben wir durch neue Bodenbeläge, Wandfarben und neuen Türen im bestehenden Gebäude minimiert. Wände und Bodenaufbauten blieben bestehen. Das bedeutet, dass die Anforderungen an die Akustik zwischen neu und alt nicht vergleichbar sind.

Nehmen wir die Architektur etwas genauer unter die Lupe: Der österreichische Architekt Adolf Loos (1870-1933) verfasste 1913 seine «Regeln für den, der in den Bergen baut». Ich möchte mit dir die Bergwelten Sawideli anhand von drei Regeln überprüfen.

“Baue nicht malerisch, der Bauer kleidet sich nicht malerisch, aber er ist es.”

Hat das neue Salwideli etwas Malerisches?

Was meinst du damit?

Ich weiss es nicht, was verstehst du im Salwideli darunter?

Malerisch bedeutete 1913 etwas ganz anderes als heute. Deshalb müssten wir uns zuerst über den Begriff verständigen? Wenn du malerisch mit Anbiederung gleichsetzen willst, dann haben wir im Salwideli genau das Gegenteil erreicht: eine zeitgemässe Antwort auf die Anforderungen an die Nutzung, das Angebot und die landschaftlich anspruchsvolle Situation in der Kernzone der UNESCO Biosphäre. Schau dir an, wie wir die Holzschindeln einsetzen: Das Rautenmuster ist bekannt, die Brettschindeln aus heimischem Fichtenholz haben wir neu entwickelt. In Kürze wird ihre langlebige, silbern glänzende Patina zum Vorschein kommen. So kann sich die äussere Gestaltqualität des Hotels mit der Farbigkeit der Moor- und Karstlandschaft verbinden. Diese Art der Gestaltung ist nie malerisch, sondern ein Ausdruck unserer Arbeitsweise: ein Spagat zwischen Strenge und Verspieltheit, zwischen Tradition und Moderne.

“Achte auf die Formen, mit denen der Bauer baut. Aber suche den Grund der Form auf.

Eine wunderbare Regel. Sie fordert ein, Traditionen zu erkennen und so umzuwandeln, wie es ein Ort und eine Bauaufgabe, verschiedene Nutzungen und letztlich der Zeitplan und das Budget erlauben. Über die Gebäudestruktur, die Form und Anordnung der Nutzungen und das Äussere habe ich bereits gesprochen. Den Grund einer kulturell überlieferten baulichen Form zu kennen, versteht sich für uns von selbst. Ein Dach steht ursprünglich für eine Bedeutung, die jeder Bauer und jede Bäuerin kennt: den Schutz und die Lagerung von Stroh. Im Hotelneubau haben wir die schützende Funktion mit der Beherbergung der Zimmer unter einem gemeinsamen Dach umgesetzt.

Schlafen unter einem gemeinsamen Dach: Zimmer ganz aus Holz und mit Ausblick: Bild: zvg

“Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden.

Diese Furcht kennen wir nicht. Konstruktiv lehnt sich der Neubau zeitgemäss an eine Tradition von Bauten im Alpenraum an. Weil es im Salwideli im Winter noch Schnee gibt, haben wir einen massiven Sockel gebaut. Ein offenes Erdgeschoss in Anlehnung an modernistische Vorbilder wäre im Salwideli vielleicht ein Spektakel gewesen, aber bestimmt keine stimmig Antwort. Unsere Affinität für Holz erleben die Gäste im Innern besonders gut: Das Erdgeschoss bestimmen noch Steinböden und massive Wände. Dann übernimmt das einheimisches Weisstannenholz die Hauptrolle. Der neue Speisesaal und die darüber liegenden Hotelzimmer sind komplett in Holz gestaltet. Die traditionellen Kassettendecken könnte man als ‘unmodern’ bezeichnen. Sie gehören mit den Schrankeinbauten und den tiefen Fenstern zum Repertoire, das wir für einen zeitgemässen Umgang mit Material und Form eingesetzt haben. Modern bedeutet in diesem Fall, Traditionen zu übernehmen, ohne sie in der gleichen Gestalt zu reproduzieren. Ich hoffe, Adolf Loos hätte seine Freude daran. (smile).

Wo im Gebäude ist deine Handschrift besonders gut zu sehen?

Die Innenwelt trägt meine Handschrift: die Materialisierung und insbesondere der Umbau des bestehenden Restaurants mit identitätsstiftenden und einfachen Mitteln. Und siehe da: Das Restaurant ist in den Sozialen Medien zum beliebten Fotosujet geworden!

Tatsächlich! Ich hätte auf die Hotelfassade getippt. Sie ist instagrammabel. Ich bin ja selbst mit offener Kameralinse dreimal um den Neubau herumspaziert, bevor ich das Innere des Hotels erkundet habe?

(lacht) Das ist typisch! Das machen nur Architekt:innen so. 90 Prozent der Gäste erleben ein Hotel nicht beim Anblick der Fassaden, sondern durch das Ambiente im Innern und die Qualität der betrieblichen Angebote und Dienstleistungen.

Dann sprechen wir noch über den Betrieb: 100 Tage nach der Eröffnung zeigen sich ernsthafte Herausforderungen. Gemäss Felix Howald von der Messerli-Stiftung ist die Abstimmung zwischen den Architekten und betrieblichen Themen zwar frühzeitig erfolgt. Trotzdem müsse man nun, so Howald, “viel Energie in betriebliche Verbesserungen und die Entschärfung der Situation bei der Rekrutierung von Personal stecken”. Wie ist dein Eindruck?

Blick in den grossen Speisesaal des Hotels. Auffällig ist u.a. die Kassettendecke. Bild: zvg.

Den Austausch mit den Einbezug der Pächtern haben wir als eher spät erlebt. Vergessen wir aber nicht, dass ein Betriebskonzept und die Infrastruktur eines Hotels nicht nur auf einen Pächter ausrichtet sind, sondern auf eine gewisse Betriebsdauer. Deshalb hat die Stiftung bei der Planung und beim Bau sehr früh verschiedene Expert:innen beigezogen. Aus meiner Sicht muss nun das Ziel sein, eine stabile und dadurch erfolgreiche Betriebsdauer von zehn bis fünfzehn Jahren einzurichten.

Hält nach der Freude über den vorzeitigen Award deshalb nun eine gewisse Ernüchterung Einzug?

Die betrieblichen Sorgen sind bekannt: Die Bergwelten Salwideli ist ein neuer Betrieb, der Anlaufzeit und eine gewisse Kontinuität braucht, um die verlangte Qualität etablieren zu können. Gleichzeitig scheint es enorm schwierig, geeignetes und genügend Personal zu finden. Das komplette Team vom Salwideli setzt sich aus 16 Saison-, Teil- und Vollzeitbeschäftigten zusammen. Seit Corona ist es weniger attraktiv geworden, Jobs mit viel Präsenzzeit anzunehmen. In der Hotel- und Gastronomie geht Homeoffice eben nicht.

Ankunft in der Lobby des Hotelneubaus. Bild: zvg

Als Hotelgast hat mich positiv erstaunt, dass der Speisesaal und das Restaurant nicht mit Alpenkitsch verunstaltet sind. Ist der Grund dafür der Respekt vor der edlen Holzarchitektur oder gibt es eine betriebliche Vorgabe?

Weder noch. Ich glaube, es ist der Respekt vor dem Ort. Und die Pächter teilen mit uns die Auffassung, dass eine gewisse Reduktion von gestalterischen Mitteln die stimmigere Antwort ist auf die Ruhe und die Grundstimmung im Salwideli als irgendwelche Accessoires.

Kommen wir noch zu deinem vielseitigen Berufsleben: Seit 2017 hast du ein eigenes Büro, bist seither als Expertin in Jurys tätig, interessierst dich für Kunst und engagierst dich als Verwaltungsrätin. Seit 2020 bist du Präsidentin der Stiftung Zukunft Kinderspital Zentralschweiz. Beruflich ist das ein Spagat zwischen den Themen Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft: dein Kalkül, ein Zufall oder sogar ein Statement zur nachhaltigen Lebensweise?

Die Vielfalt an Themen, für die ich mich engagiere, steht für meine Persönlichkeit. Seit ich denken kann, war ich immer vielseitig tätig. Mit 12 Jahren wusste ich: Ich werde Architektin! Seit ich 18 Jahre alt bin, arbeite ich auch ehrenamtlich. Schliesslich hatte ich das Privileg, in der Schweiz in einer Familie aufzuwachsen, die es mir erlaubte, das zu tun, was ich mir wünschte. Im Studium war ich in Restaurants, beim Fernsehen und in der Industrie jobben. Meine VR-Mandate sind eine ganz andere Angelegenheit: Ich konzentriere mich in dieser Rolle streng auf das Wissen und die Erfahrung in meinem Kernthema. Und das ist die Baubranche. So kann ich in unterschiedlichsten Unternehmens- und Berufsbereichen einen wesentlichen Beitrag an Lösungen leisten.

Hat sich durch diese Tätigkeit deine Sicht auf die Architekturpraxis verändert?

Diese Frage können meine Kund:innen vielleicht besser beantworten. Ich nehme wahr, dass ich in Beurteilungsgremien oder in Sitzungen eine klare Haltung und Vorstellung habe, jedoch oft allparteilich unterwegs bin, d.h. meine eigene Meinung zurückhalte, damit alle Anwesenden in ein Projekt einsteigen und einem gemeinsamen Lösungsweg zustimmen. Diese Haltung fordert von mir, zu erkennen, welche Themen kritisch sind, damit eine Diskussion oder ein Projekt vorankommen.

Was ist deine liebste berufliche Tätigkeit?

Das Präsidium der Stiftung Zukunft Kinderspital Zentralschweiz – eine Herzensangelegenheit, die ich ehrenamtlich ausübe. Die Kindermedizin ist sowohl in ganz Europa als auch in der Schweiz stark unterfinanziert. Dies führt dazu, dass Kinderspitäler auf Stiftungen und Spenden angewiesen sind. Die vorhandenen finanziellen Mittel setzen wir für Infrastruktur sowie für die Begleitung und Innovation bei der Weiterentwicklung der Kindermedizin in der Zentralschweiz ein. Meine grösste Leidenschaft ist tatsächlich mein Engagement für unsere Kinder, für eine gesunde junge Generation.

Hat das eine Konsequenz für deine weitere Architekturkarriere? Oder anders gefragt: Was treibt dich in fünf Jahren um?

Meine Leidenschaft, als Architektin tätig zu sein, ergänze ich weiterhin durch mein ehrenamtliches Engagement. So gebe ich der Gesellschaft etwas zurück, und ich lerne gleichzeitig für mein Leben dazu. Vielleicht wird mein Interesse an der Beziehungsgestaltung in der Planung und beim Bau dadurch noch ausgeprägter. Lösungsprozesse, wie ich sie in meine Arbeit integriere, faszinieren mich: Sie benötigen neben Fachwissen kommunikative Fähigkeiten: Klärung, Austausch und letztlich eine Kooperation bei der Lösungsfindung, die mehr leistet als die ‘geniale Idee’ einer Einzelnen. Und wohin führt mich meine Reise in den nächsten fünf Jahren? Ich werde Mitglied eines wachsenden Netzwerks, das in Kooperationen auch international erfolgreich Lebensräume gestaltet.

Tanja: Vielen Dank für das Gespräch! (aufgenommen am 13. März 2024)

 

 

Messerli-Stiftung
Die Messerli-Stiftung wurde 1982 von Herta Messerli gegründet. Ursprünglich hatte die Stiftung den Zweck, das Tierwohl zu fördern und armen Kindern zu helfen. 1999 hat die Messerli-Stiftung die notleidende Gaststätte Salwideli zusammen mit dem benachbarten Bauernhof übernommen. Zum Zweck der Stiftung gehört heute, den Zugang zu der einmalig schönen Landschaft und Natur des Entlebuchs einem breiten Publikum, insbesondere auch Jugendlichen, zu ermöglichen. Mit der Renovation und dem Teilneubau des Berggasthauses zum Bergwelten Salwideli erfährt die Umsetzung dieses Zwecks neuen Antrieb.

www.bergwelten-salwideli.ch

www.messerli-stiftung.ch

Bauernhof Salwiedeli

  1. Adolf Loos, Regeln für den, der in den Bergen baut (1909), in: Trotzdem 1900-1930, Nachdruck der Erstausgabe 1931, Prachner, Wien 1997

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