Architekt Max Bosshard in seinem Büro an der Mythenstrasse 7 in Luzern. Bild: Ralph Eichenberger

Luzern. Ein Gespräch mit Max Bosshard über Herkunft und die Arbeit als Architekt

1973 stand Max Bosshard aus Zürich als junger Architekt mit langen Haaren und Bart auf dem Klassenfoto zur Ausstellung La Città analoga anlässlich der 15. Triennale de Milano. Zu seiner Linken sein berühmter Lehrer Aldo Rossi (†1997). Seither hat Max Bosshard seine Liebe zum Reisen und zur Stadt gelebt, zusammen mit Christoph Luchsinger (†2019) geforscht, publiziert, in Luzern und Wien Architekturbüros geführt und an der ZHAW Winterthur das Institut Urban Landscape geleitet. Zum Projekt Neues Luzerner Theater hat er im Auftrag der Stadt und der Projektierungsgesellschaft nicht nur eigene Studien beigetragen, sondern auch eine dezidierte, persönliche Meinung: Ein Neubau mitten in der Stadt ist die beste Lösung. Heute ist Max Bosshard 72, und er spielt mit dem Gedanken, sein Architekturbüro irgendwann aufzulösen

Max, weshalb bist du Architekt geworden? Das war keine Berufung, eher eine Wahl im Ausschlussverfahren: Ich war als Schüler am Gymnasium in Wetzikon sehr gut in den Naturwissenschaften. Unser Fachlehrer wollte deshalb, dass aus mir ein Chemiestudent wird. Ich wollte aber nicht dasselbe studieren, wie ein Grossteil meiner Mitschüler*innen. Und für Sprachen fehlte mir leider das Talent. Also habe ich Architektur gewählt.

Dein Architekturstudium war ein Zufall? Nicht ganz. Ich habe mich damals eher unbewusst für die richtige Berufswahl entschieden. Durch die Reisen mit der Familie vor allem nach Italien interessierten mich Städte mit ihren historischen Bauten schon sehr früh. Auch das Zeichnen, die Fotografie und der Film haben mich fasziniert. Und: Le Corbusier war mir damals durchaus ein Begriff!

Le Corbusier ist ein überzeugendes Argument für die Wahl deines Studiums. (lacht) Ich habe mich gut auf das Gespräch vorbereitet.

So wie auf deine ganze Karriere? Ganz und gar nicht. Ich habe nie weit vorausgeplant. Lieber habe ich in meinem Leben immer wieder Möglichkeiten für mich erkannt und sie dann auch genutzt.

Wie entscheidend war das Studiensemester an der ETH Zürich unter Aldo Rossi? Sehr wichtig. Aldo Rossi war damals in Zürich Gastdozent. Er gab mir in meinem vierten Studienjahr die Möglichkeit, mein Projekt an der 15. Triennale de Milano zu zeigen. Als Beweis dafür gibt es ein «Klassenfoto» mit allen, die damals an der Ausstellung beteiligt waren[1]. Mit Bruno Reichlin, Fabio Reinhart und Heinrich Helfenstein sind übrigens noch drei weitere Schweizer auf dem Bild. Bruno Reichlin und Fabio Reinhart hatten mit einem Projekt zum Seeanstoss der linksufrigen Limmatstadt einen wesentlichen Beitrag an die Ausstellung geleistet. Heinrich Helfenstein war der Fotograf. Alle drei waren Assistenten von Aldo Rossi an der ETHZ.

Auffallend ist, dass die Schweizer auf dem Bild damals alle Bärte trugen. Stimmt. Bei mir war das so: Auf einer dreimonatigen Reise entlang der Dalmatinischen Küste, durch die Ägäis und über Anatolien und Syrien bis nach Beirut liess ich meine Haare und eben einen Bart wachsen. Ich erinnere mich gut, dass die Bärte für Aldo damals typisch waren für die ‘urchigen’ Schweizer Architekten.

Klassenfoto vor Arduino Cantaforas Wandgemälde «La Città analoga» für die XV. Triennale di Milano 1973. Max Bosshard: hintere Reihe, 5. von links. Aldo Rossi: 6. von links / Bild: Heinrich Helfenstein

Was ging dir mit 24 Jahren durch den Kopf, als du in Mailand neben Aldo Rossi porträtiert wurdest? Ich war damals vor allem sehr stolz darauf, in Italien an einer grossen Ausstellung meine eigene Studentenarbeit ausstellen zu dürfen. Das war speziell. Dass ich auf dem Bild direkt neben Aldo Rossi und dem damaligen Team in seinem Studio stehe, ist aber ein Zufall.

Wohl nicht ganz: Ein Jahr später hast du selbst bei Rossi in Mailand gearbeitet. Was hast du dort genau gemacht? Das stimmt allerdings. Wahrscheinlich half auch, dass Rossi bei mir mit seinem Unterricht an der ETH die Begeisterung und das Interesse für den Entwurf wieder-geweckt hatte. Im Büroalltag in Mailand haben wir Mitarbeiter vor allem seine skizzierten Ideen zeichnerisch ebenbürtig umgesetzt. Die Pläne mit harten und dunklen Schatten erinnerten damals sehr an Werke des Künstlers Giorgio de Chirico, z.B. an das Gemälde Piazza d’Italia (1945–49). Oft war Rossi unterwegs und deshalb gar nicht im Büro anwesend. Mich persönlich hat damals in Mailand der neue kulturelle Hintergrund geprägt, ich sage es mal so: Im Büro von Rossi wurde vor allem bei den gemeinsamen Essen mehr über Film, Theater und Kulinarisches gesprochen als über Bauten.

Und bestimmt war die Politik ein Thema. Rossi war ein überzeugter Kommunist und wurde deshalb als Professor suspendiertHat er dich auch politisiert? Nein, das geschah bei mir schon früher im Studium: Das berühmte Jahr 1968 war mein erstes Studienjahr. Im dritten, bei dem Gastdozenten Jörn Janssen, haben wir gar nicht mehr entworfen, dafür umso heftiger hierarchiefrei diskutiert, basisdemokratisch entschieden und uns mit Politischer Ökonomie befasst. Viele meiner Freunde und Mitstudierende haben sich zu dieser Zeit linken Organisationen wie der KPS/ML (Anmerkung: Kommunistische Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten) angeschlossen und ihren Blick nach China ausgerichtet. Das war nichts für mich. Trotzdem würde ich mich bis heute als einen politisch denkenden Architekten beschreiben. Die Zeit bei Rossi hat mich vor allem gelehrt, als Architekt Haltung zu zeigen.

Äusserst du dich auch politisch? Ich war nie Mitglied einer Partei, obwohl ich früher die POCH gewählt habe und heute die Grünen unterstütze. Ich kann mich als Architekt trotzdem sehr gut politisch äussern: mit meinen Entwürfen, als Experte oder als Lehrer. Zum Beispiel sind städtebauliche Aufgaben für mich nie nur gestalterische Angelegenheiten oder Fragen des Ortsbildschutzes. Wenn ich als Architekt der Meinung bin, dass eine Architektur aufgrund ihrer Nutzung dem Ort nicht gerecht wird, dann ist das immer auch eine politische Aussage.

Denkst du dabei an ein bestimmtes Beispiel? In Luzern könnte man den Erhalt der Zentralbibliothek oder das Projekt Neues Luzerner Theater nennen. In beiden Beispielen geht es im Kern auch um die politische Frage nach einer öffentlichen Nutzung an einem zentralen Standort in der Stadt.

Aldo Rossi hat für die Architekturbiennale 1979 in Venedig das Teatro del Mondo gebaut: einen schwimmenden Theaterbau, gleichzeitig Gebäude, Kulisse und eine Inszenierung der Landschaft. Was hat das Projekt mit der Diskussion um den Theaterneubau in Luzern zu tun? Das Theatro del Mondo war ein architektonisches Objekt auf Zeit, das in Beziehung gesetzt wurde zur Architektur Venedigs. In ihm haben sich verschiedene Bedeutungen überlagert, die über die Funktion als Theater hinausgingen. Das Neue Luzerner Theater sollte ein städtebaulich, architektonisch und funktional bedeutungsvolles Gebäude werden, sicher kein historisierender Kulissenbau oder eine hermetische Blackbox. In Analogie zum Teatro del Mondo sind am Theaterplatz in Luzern der Bezug zum Wasser, zum Stadtprospekt des Flussraums und zur Geschichte des Theaterbaus entscheidende Entwurfsthemen.

Das Anliegen der Denkmalpflege, das bestehende Gebäude bzw. einen Teil der Fassade zu erhalten, könnte man durchaus als Aufforderung zum Kulissenbau interpretieren. Was ist deine Haltung? Worum es in dieser Diskussion eigentlich geht, ist mir bis heute nicht ganz klar geworden: Geht es um den Erhalt des Ortsbildes, oder geht es um einen weitgehenden Erhalt des bestehenden Gebäudes? Für mich bedeutet Ortsbildschutz immer die Möglichkeit, den Interpretationsspielraum zu haben, welche Qualitäten und baulichen Elemente erhalten werden sollen. Mit unserer Machbarkeitsstudie zu einem Neubau haben wir vorgeschlagen, mit einem leicht höheren Bauvolumen über dem bestehenden Fussabdruck sowie mit dem Erhalt der stadträumlichen Situation zur Reuss künftig an das heutige Theater zu erinnern. Mit einer Sanierung und einem Anbau an das bestehende Haus können die bestellten Nutzungen und technischen Einrichtungen hingegen kaum untergebracht werden. Es braucht an diesem Ort deshalb einen städtebaulich und architektonisch überzeugenden Neuanfang: einen Neubau.

Das jetzige Theater ist aus deiner Sicht demnach nicht schützenswert? Das Gebäude ist gesetzlich nicht geschützt. Die bauliche Substanz ist in einem schlechten Zustand und wurde in der Vergangenheit mehrfach verändert. In der bisherigen Diskussion ging es aus meiner Sicht vor allem um Planungssicherheit, nämlich darum, allfällige Einsprachen im Planungsprozess vorab zu vermeiden. Unbestritten ist, dass die heutige Stellung des Theatergebäudes im Stadtbild von Bedeutung ist.  Neu zu interpretieren und zu gestalten gilt es deshalb den Standort am Fluss, an der Bahnhofstrasse und in der Nachbarschaft zur Jesuitenkirche. Kulturell könnte man auch argumentieren, dass am Theaterplatz hauptsächlich ein Kapitel Theatergeschichte und ein Kulturstandort zu erhalten sind. Im Spätmittelalter bis in die frühe Neuzeit fanden die Aufführungen zuerst auf den Plätzen der Altstadt statt, später im benachbarten Jesuitenhof und erst danach im Luzerner Theater.

Schliesst du demnach alternative Standorte aus? Eigentlich schon. In dieser Frage stehe ich auf der Seite der Tradition. Das neue Luzerner Theater muss dort sein, wo die Menschen sind, auch dann, wenn sie nicht ins Theater gehen. In Luzern ist dieser Ort der Theaterplatz. Ich habe mir dazu einige interessante Beispiele aus den 1950er Jahren in Deutschland angeschaut. Postuliert wurde damals eine ‘demokratische’ Architektur: Im neuen Nationaltheater Mannheim (1957) wurde das Foyer als Teil des Stadtraums verstanden. Das Geschehen im Foyer des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen (1959) musste für jedermann einsehbar sein. Von diesen Ideen bin ich heute noch überzeugt. Sie schaffen die nötige Nähe zum Publikum und zur Bevölkerung. Ähnlich wie in den genannten Beispielen kann am Theaterplatz Luzern mit einem Neubau ein durchlässiger öffentlicher Raum entstehen. Das wurde im Pflichtenheft der Testplanung bereits so formuliert. Und davon werden das städtische Leben und der Theaterbetrieb in Luzern gleichermassen profitieren. Das Gegenteil wäre die erwähnte Blackbox: ein hermetisch abgeschlossenes Bauvolumen, in das man für den Besuch einer Theateraufführung quasi hineinschlüpfen muss. Ein solches Szenario kann ich mir für den Theaterplatz in Luzern nicht vorstellen.

Wenn du König von Luzern wärst, welche Architekten würdest du direkt mit dem Neubau beauftragen? (Spontan) Roger Diener, weil er Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege ist, die sich vehement gegen einen Neubau ausgesprochen hat.

Das meinst du jetzt zynisch! Ganz und gar nicht. Gerade Roger Diener hat mit seinen Gebäuden immer wieder bewiesen, dass ein baulicher Bestand erfolgreich in eine neue Aufgabenstellung integriert werden kann. Zudem steht es den Teilnehmenden am Wettbewerb, trotz Entscheid für einen Neubau, ja immer noch frei, das bestehende Theatergebäude oder Teile davon in ihren Projektvorschlag einzubeziehen. Deshalb würde ein Lösungsansatz aus dem Architekturbüro Roger Diener bestimmt zu einer interessanten Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung führen.

Sprechen wir über deine eigene Arbeit. Wie kam es zu deiner weniger technisch, dafür umso mehr kulturell motivierten Liebe zur Stadt? Von Aldo Rossi haben wir bereits gesprochen. Meine Liebe zur Stadt habe ich dann spätestens als Assistent bei Paul Hofer an der ETH so richtig entdeckt. Wir haben Städte damals vor allem morphologisch untersucht. Die geteilte Freude an Reisen und der Erkundung von Städten waren entscheidend dafür, dass es zur Zusammenarbeit mit Christoph Luchsinger und 1990 zur Bürogründung kam. Kennen gelernt hatten wir uns schon vorher als Assistenten an der ETH. Wir waren damals oft gemeinsam auf Studienreisen unterwegs.

Gibt es ein Gebäude, das typisch ist für die Architektur von Bosshard & Luchsinger? Ein typisches Gebäude im Sinne einer Handschrift gibt es nicht. Uns hat es nie interessiert, eine eigene Architektur-Marke zu etablieren. Aldo Rossi würde sagen: ‘Ein Projekt kannst du nur in der Stadt verankern, wenn du die allgemeinen Eigenarten der Stadt auf die Motive des eigenen Entwurfs überträgst.’ Dieser Haltung sind wir bei Bosshard & Luchsinger stets treu geblieben. Unsere Projekte haben immer verschiedene Ansätze verfolgt: Einmal war der Kontext für die Formfindung entscheidend, ein andermal vielleicht hauptsächlich die geforderte Nutzung. Vielleicht ist diese Haltung auch der Grund dafür, dass wir keines unserer Projekte jemals bereut haben, so wie das Berufskolleg*innen manchmal tun.

Trotzdem: Gibt es dein persönliches Lieblingsprojekt? Es gibt mehrere: Ein wichtiges und hinsichtlich einer Haltung typisches Projekt ist der Neubau der Siedlung Weinbergli, den wir für die abl in Luzern realisiert haben. Das lange Wohnhaus am Hang zeigt eine klare städtebauliche Haltung. Die Architektur prägt das Stadtbild.

Und wie lautete eure Leitidee für den Entwurf? Die markante Gebäudezeile inszeniert die doppelte Hanglage sowie die Ausblicke auf die Rigi und auf den See. Die Architektur wird zu einem Statement gegenüber der Landschaft. Das Projekt erinnert mich an unsere Publikation «Verrücktes Luzern»[2]. Wir haben darin mit zahlreichen Beispielen aufgezeigt, dass die Inszenierung der Landschaft und ihre Verwertung in der Baugeschichte von Luzern eine lange Tradition haben. Das Entwurfsthema Landschaft haben wir auch bei der Turnhalle für das Sälischulhaus augenfällig umgesetzt. Sie ist im Boden versenkt und das Dach steht als Terrasse zur Verfügung. Dadurch haben wir die Schulanlage nicht einfach zusätzlich bebaut, sondern städtebaulich und in ihrer Funktion als Freiraum landschaftlich neu modelliert.

Das leuchtet ein und passt irgendwie zu einer Forderung von euch: Pragmatismus statt «akribisch durchdeklinierte Details und Zeitgeist». Was bedeutet das für den Alltag mit Bauherren, Terminplänen und Budgets? Mir geht es beim Pragmatismus um eine Grundeinstellung, die nicht den schweizerischen Perfektionismus in der Umsetzung von Architektur sucht. Entscheidend ist nicht das Design jeder einzelnen Schraube. Es geht darum, einer überzeugenden Idee zu folgen und diese präzise umzusetzen. Aldo Rossi war der Auffassung, dass in einem architektonischen oder städtebaulichen Projekt immer nur ein paar wenige Dinge entscheidend sind: die Grundidee, die gewählte Typologie, das Material. Einmal mehr geht es darum, dass ich als Architekt ein klares Statement abgeben und umsetzen kann.

Ihr habt eure Bauten immer ausführlich beschrieben und erklärt. Weshalb ist es nicht selbstverständlich, dass Architekten ihre Bauten erklären können? Aldo Rossi hat zwischen den «professionisti» und den «anderen» Architekt*innen unterschieden. Wir setzen nicht nur möglichst professionell ein Bauprogramm um, sondern verorten den Entwurf in einem stadträumlichen und kulturellen Kontext. So bringen wir auch einen Diskurs über Architektur ein und das einzelne Gebäude erhält seinen kulturellen Wert. Zu dieser Arbeit gehören auch das Sprechen und Nachdenken über die eigene Tätigkeit als Architekt im Allgemeinen und über den einzelnen Entwurf im Speziellen. Diese Auffassung steht für die Schule, in der ich gross geworden bin. Sie ist für mich selbstverständlich.

Dein Büropartner Christoph Luchsinger ist Ende 2019 verstorben. Du selbst wirst 72. Wie geht es mit dem Büro weiter? Das Büro werde ich wahrscheinlich dann schliessen, wenn keine Aufträge mehr da sind. Vorher würde ich gerne noch das eine oder andere machen, z.B. an städtebaulichen Studien arbeiten. Die Teilnahme am Wettbewerb für das Neue Luzerner Theater ist aber im Büro kein Thema. Das Projekt dauert zu lange und die Aufgabe ist für die Bürogrösse zu aufwändig.

War eine Nachfolge nie ein Thema? Wir haben immer wieder über die Zukunft des Büros in Luzern und unserer Filiale in Wien, die Christoph geführt hat, gesprochen. Die Nachfolgeplanung sind wir aber nie konkret angegangen und haben sie irgendwie verpasst. Unter meinen Berufskolleg*innen gibt es solche, die ihr Büro an Partner*innen übergeben. Andere haben es aufgelöst. Ich werde Bosshard & Luchsinger wohl auch irgendwann auflösen. Wie bereits gesagt: Ich habe in meinem Leben nie weit vorausgeplant.

Blick auf die Stadtlandschaft von Split / Foto: Max Bosshard, undatiert.

Ich habe dich gebeten, einen Gegenstand zum Gespräch mitzubringen, den du auf eine einsame Insel mitnehmen würdest. Weshalb hast du deine Leica ausgewählt? Kurz vor meiner Matura habe ich gemeinsam mit einem Freund in Paris ein Wahlfachsemester in Fotografie besucht und in der französischen Hauptstadt danach verschiedene Themen und Orte fotografisch erkundet. So wurde die Erforschung von Stadtlandschaften mit dem Fotoapparat für mich zu einer Leidenschaft. Sie führte mich in italienische und böhmische Städte, rumänische Dörfer, in den Orient, um nur einige Stationen zu nennen. Im späteren Berufsleben habe ich den Fotoapparat dann gegen die Reißschiene und den Bleistift ausgetauscht. Heute hätte ich gerne wieder mehr Zeit für meine Leidenschaft. Die Leica hat ein Objektiv mit fester Brennweite. So bin ich gezwungen, den Standort und den Bildausschnitt sehr präzis zu wählen.

Und wo würde deine Insel liegen, wenn du wählen könntest? Ich mache tatsächlich gerne Inselferien und fühle mich an verschiedenen Orten auf dieser Welt zuhause. Mit einer einsamen Insel in der Südsee könnte ich mich weniger gut anfreunden. Meine Liebe gilt dem Kulturraum des Mittelmeeres. Deshalb würde ich zusätzlich zur Leica ein Werk des Historikers Fernand Braudel mit auf die Insel nehmen: «Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II». Meine Wahl fällt definitiv auf eine Insel im Mittelmeer.

Das Interview hat Stadtfragen im April 2021 an der Mythenstrasse 7 in Luzern geführt.

[1] Frédéric Migayrou, «LA TENDENZA», Katalog zur Ausstellung 2012 im Centre Pompidou in Paris, p.61.

[2] Max Bosshard & Christoph Luchsinger, Verrücktes Luzern, Stadt und Landschaft als Ereignis, 1997