«Mein Traum ist ein eigenes Tiny House.»

 «Atmen bedeutet für mich Leben», bringt Esther (27) auf den Punkt, weshalb sie noch eine Ausbildung in Atemtherapie absolviert und in diesem Beruf bald selbständig arbeiten möchte. Obwohl sie in diesen Tagen in ein neues Zuhause zieht, träumt sie bereits von einem «eigenen Tiny House», das sie in Oosterwold einmal bauen möchte: «So wie hier habe ich mich bisher noch an keinem anderen Ort connected gefühlt», begründet sie ihren Traum. Dass sie schon weiterdenkt, hat einen weiteren Grund: Sie mietet temporär ein Gebäude des sozialen Wohnungsbaus der Stadt Almere.

Bei meinen Besuch macht Esther eine Arbeitspause. Ihr dunkelblaues T-Shirt, das sie beim Streichen der Innenwände trägt, hat die Aufschrift Trés belle, PARIS. Das klingt glamourös – das sind jedoch weder ihr mit Farbspuren bedecktes Outfit noch die Adresse Pompoenweg, wo wir uns in einem Rohbau zum Gespräch treffen. Esther streicht gerade die Innenwände in einem von mehreren schwarzen Wohncontainern, die sich lieblos am Kürbisweg aufreihen. In der Nachbarschaft steht ein ganz weiss gestrichenes Haus, seine Fensterflächen zur Strassenseite sind zugemauert: Auch das ist eine Botschaft. Esther mietet vis-a-vis in der schwarzen Box rund 34 m2 Wohnfläche: zwei Zimmer, ein Bad mit Dusche, eine offene Küche. Bad und Küche hat der Vermieter eingerichtet. Der Garten ist noch kaum zu erkennen, rund 300 m2 gross soll er dereinst sein. «Zuerst kümmere ich mich um das Haus. Danach möchte ich zusammen mit meinem Nachbarn aus dem Garten etwas Schönes machen», so lautet ihr Plan. Allzu gross soll jedoch die Investition in den Garten nicht werden, denn der Mietvertrag für den Wohncontainer dauert längstens fünf Jahre. Das kommt daher, dass das Gebäude zum staatlichen Sozialwohnungsprogramm für 18- bis 28-Jährige mit geringen Einkommen gehört. Ihr Vermieter ist nicht die Stadt, sondern ein privater Kleininvestor, der selbst nicht in Oosterwold lebt, wie Esther erklärt. Die Stadt leistet einen finanziellen Beitrag an die Miete, wenn diese einen bestimmten Beitrag nicht übersteigt. «Young people contract», nennt sie das Mietverhältnis: «Eine gute Sache, der Mietpreis ist ok». Zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts arbeitet Esther neben ihrer Ausbildung in der Filiale der Lebensmittelkette Odin. Der Verkaufsladen mit Foodcafé befindet sich nur fünf Velominuten von ihrem neuen Zuhause entfernt. Der Ort ist Teil des biologisch- dynamisch geführten Hofs Vliervelden der Stadsboerderij Almere und ein beliebter Treffpunkt.

Social Housing in Oosterwold / Der schwarze Wohncontainer mit 34 m2 Wohnfläche, den Esther für fünf Jahre mietet, gehört einem privaten Investor. Die Stadt subventioniert die Miete. Gut sichtbar ist, dass der Garten noch eine Baustelle ist. Eine PV-Anlage auf dem Dach sorgt für Strom und warmes Wasser.

In Oosterwold ist eine kurze Distanz zur Arbeit ein Glücksfall. Das ist auch ein Grund, weshalb sich Esther am liebsten in den eigenen vier Wänden beruflich selbständig machen würde. Und wie wird sie ihr neues Zuhause einrichten? Esther hat die Ideen im Kopf: Wohn- und Schlafbereich, das Büchergestell sind gesetzt. Der Holzboden und die Farbe für die Wände sind gekauft. Der kleinere der beiden Räume hat einen separaten Eingang und wird zum Arbeitszimmer. «Hier biete ich vielleicht schon bald meine ersten Sitzungen in Atemtherapie an», stellt sie sich vor. Wenn man Esther zuhört, entsteht der Eindruck, dass sie schon lange hier lebt. Tatsächlich hatte sie zu den Menschen in Oosterwold bereits Kontakte, bevor sie selbst in eine kleine Wohnung gezogen ist. Durch ihre Arbeit im Laden kennt sie nun bereits viele Leute und erlebt die Gemeinschaft, die den Ort für sie so besonders macht, gewissermassen im Alltag. «Ich gehe trotzdem gerne weiterhin meinen eigenen Weg im Leben», betont sie. Das sei hier besonders gut möglich, weil sie Oosterwold landschaftlich und sozialräumlich ausgesprochen vielfältig und offen erlebe.

Esther spricht gerne davon, was für einen inspirierenden und kreativen Ort sie für sich in Oosterwold entdeckt habe und für die nächsten Jahre einrichten und gestalten könne. Im künftigen Wohnzimmer ist bereits ein erster Streifen der Tapete angebracht: Die Auswahl, die Esther getroffen hat, sagt mehr als tausend Worte.

Die Studienreise wir durch die Stiftung Otto Pfeifer unterstützt.