«Mein Wunschpublikum kauft heute noch bei IKEA ein.»
Jos Bregman macht Kunst aus Holz und handelt damit. Sein Geschäftmodell? «Billig einkaufen und hochpreisig verkaufen – aber Künstler haben normalerweise keine Antwort auf diese Frage. Sie lenkt nur ab von der Gegenfrage: Kaufen Sie Kunst, und warum nicht?» Zusammen mit seiner Partnerin, die Autorin ist, lebt Jos seit 2019 in Oosterwold, in seinem eigenen Haus auf dem Hof Vliervelden der Stadsboerderij Almere, die auf über 40 Hektaren Land biologisch-dynamische Landwirtschaft betreibt. Den Hof ist ein beschauliches Ensemble rund um den Friedrich Schillerhof. «In der Mitte gibt es eine kleine Allmende, die wir gemeinsam mit unseren Nachbarn betreiben», so Jos. Sein Atelier hat er im Stall untergebracht, das Holzlager gleich nebenan. In Oosterwold ist Vlierfelden ein Sonderfall: Sein Land für den Hausbau hat Jos 2018 nicht vom Staat, sondern direkt beim Bauern gekauft, zum Marktpreis von 80 € den Quadratmeter. Jos erinnert sich: «Die Eigentümer haben uns das Grundstück direkt angeboten, weil sie sich die Nachbarschaft selbst aussuchen wollten.»
Die Entscheidung, Land zu kaufen und ein eigenes Haus zu bauen, war eine Gelegenheit. Entstanden ist ein Baukunstwerk, das er, seine Partnerin, ein Architekt und das ausführende Baugeschäft zusammen realisiert haben. Das eingeschossige Innenleben ist schnell erzählt: Der Eingangsbereich führt zum Arbeitszimmer auf der einen Seite und zum Wohnraum mit der offenen Küche auf der anderen. Dazwischen liegen der Schlafbereich und die Technik. Jos hat bei der Organisation an die Zukunft gedacht: «Das Arbeitszimmer hat einen separaten Eingang und kann später als Wohnung genutzt werden.» Der runde Wohnraum lebt von der Kuppel als zentrale Lichtquelle. Wohin der Blick sonst noch fällt: Das Haus zeigt sein lebendiges Innenleben aus Naturholzstämmen und Lehmwänden direkt, roh und gestalterisch stimmig. Die eingesetzten Materialien sind Natur pur und sorgfältig abgestimmt – das Bauwerk ist ein Haus zum Anfassen. Jos betitelt sein Werk selbst mit Swinging Art House: The house has a slope and a circel and an angle and a vortex roof – and a tree house on top and a greenhouse attached and a veranda also – we felt it was swinging, ist auf der Website zu lesen.
Das Gebäude von Jos ist performative Kunst. So wie seine Holzproben, die Jos als soziale Bauminstallationen versteht, und die er «künstlerisch in Schwingung» bringe, wie er mir erklärt. Im Hintergrund schwingt eine persönliche ökologisch-gesellschaftliche Vision mit: «Bäume, der Rohstoff Holz müssen in unserer Gesellschaft mehr Bedeutung erhalten und nicht länger hauptsächlich als Dekorationsmaterial oder billig verwertbare Biomasse eingesetzt werden. Mit meiner Arbeit geht es mir um die Vorteile und Zukunft einer nachhaltigen, lokalen Holzwirtschaft: um gesunde Arbeitsplätze für unsere Kinder, um einen robusten und biodiversen Stadtwald – nicht zuletzt um Transparenz bei den Kosten für die Natur und die Umwelt, wenn wir weiterhin im globalen Maßstab produzieren: Mein Wunschpublikum kauft heute noch bei IKEA ein». Für ein Umdenken brauche es alternative Bilder und Lebensvorstellungen, davon ist Jos überzeugt und beschreibt zum Beispiel, «dass wir künftig in einer gesunden produktiven Waldlandschaft leben könnten, wo es zwischendurch Häuser gibt. Heute ist die Wahrnehmung genau umgekehrt».
Das Swinging Art House fällt in Oosterwold auf. Das hat mit seiner Mehrdeutigkeit zu tun: Die aufgeschüttete grüne Auffahrt – die auf den ersten Blick nirgendwo, tatsächlich aber zum Baumhaus führt – spielt mit dem Image des Erdhauses, gleichzeitig ist das Gebäude ein geschwungener, hölzerner Gartenpavillon. Seine symbolische Wirkungskraft verdankt das Atelier- und Wohnhaus dem weithin sichtbaren Baumhaus, drinnen: ein Raum, ein Dach, ein Ofen und ein Fenster zum Hof. «Unser Ferienhaus», ist Jos stolz. Beim abschliessenden Foto mit Künstler und Haus wird mit klar: Jos bringt mit seinem Haus womöglich genau das zum Ausdruck, was die Menschen in der Do-it-youself-Erzählung von Oosterwold insgeheim miteinander verbindet, sie jedoch mit ihren Häusern und Gärten nur selten zum Ausdruck bringen können, nämlich: Den Traum, den Mut und die Freiheit, das eigene Habitat einmal im Leben mit der Leichtigkeit einer Kinderzeichnung zu entwerfen und danach – bei der richtigen Gelegenheit – mit den eigenen Händen zu bauen.