Wohnglück mit Waldgarten.

Am Oeverwalweg 156 steht ein Holzhaus mit Steildach, das die Nachbarhäuser deutlich überragt. «Mein erstes Haus baute ich für meine Eltern, seit drei Wochen leben wir hier in meinem zweiten», erzählt mir Marloes, die Architektin, die das Gebäude entworfen hat. Mit ihrem Mann Thijs und einem kleinen Sohn ist sie von Utrecht nach Oosterwold gezogen: «Wir suchten lange nach einem bezahlbaren Grundstück, das uns gleichzeitig erlaubt, ein Haus nach unseren Vorstellungen zu bauen und einen grossen Garten für die Selbstversorgung anzulegen.» In Utrecht hatten sie immerhin schon einen Schrebergarten. Das Haus in Oosterwold steht auf einer Grundfläche von 65 m2, rund 12 Meter ist es hoch. Rückblickend beurteilt Marloes die Möglichkeit, in Oosterwold Land zu kaufen und zu bauen, immer noch als einmalige Gelegenheit in den Niederlanden. Erworben haben sie das Land Ende 2019, 1’700 m2, «glücklicherweise noch zum Preis von 45 Euro/m2», erinnert sich Marloes.

Die van der Bergs sind vor drei Wochen in eine Baustelle eingezogen: An der Fassade gibt es offensichtlich noch zu tun, innen haben die Treppen und Geländer zudem Verspätung, es fehlen u.a. der finale Lehmputz an den Wänden und die Verdunkelung. Bei der Besichtigung des Holzhauses strahlt Marloes trotzdem. «Wir leben hier schon sehr gut, und ich bin selbst überrascht, wie gross und vielfältig das Haus geworden ist», erzählt sie. Tatsächlich fällt auf, wie offen sich das Innenleben des Gebäudes zeigt. Das liegt daran, dass Marloes die 140 m2 Nutzfläche im Split-Level, d.h. auf sechs in der Höhe geteilten Ebenen organisiert hat: Der Eingangsbereich mit der Küche, das Wohnzimmer, ein Atelier und Schlafzimmer und ein weiteres Schlafzimmer unter dem Dach bilden die vier Haupträume. Dazwischen sind die Bäder und verschiedene Nischenräume angeordnet. Resträume hat dieses Haus keine. «Weil die Haupträume nicht durch Türen getrennt sind», sagt Marloes, «leben wir gewissermassen überall unter einem grossen, gemeinsamen Dach». Wer die Treppe hochsteigt, erhält das Gefühl, das Haus wachse immer noch mehr in die Höhe.

Und wo steht das architektonische Vorbild? «Das gibt es so nicht. Wir starteten auf einem weissen Blatt Papier und arbeiteten viel mit einem Modell». Das Entwurfsprinzip, das die Architektin verfolgt hat, ist erkennbar: Statt einem Grundrissplan, der Nutzungen ihre Flächen zuordnet, hat Marloes für die verschiedenen Tätigkeiten im Haus einen dreidimensionalen Raumplan entworfen: Er sorgt für Bewegung, Sichtbezüge, veränderbare Zimmer, spannende Ein- und Aussichten gegenüber der Umgebung – und nicht zuletzt für viel Licht. Besonders freut sich Marloes über ihr Atelier mit Nordlicht, temporär dient es noch als Schlafzimmer. Bauen mit Holz und die Verwendung von natürlichen Materialien waren für sie eine Selbstverständlichkeit: «Ein möglichst kleiner ökologischer Fussabdruck ist uns als Familie sehr wichtig», betont Maloes. Und die schwarze Hausfassade? «Mit der Farbgebung setzen wir einen starken Kontrast zum Grün in der Umgebung». Zum ersten Mal in Oosterwold bin ich in einem Haus mit einem Keller: Seine Decke ragt über das Gartenniveau hinaus und zeichnet sich deshalb an der Fassade ab. Das darüberliegende Wohnzimmer erhält einen fantastischen Standort für den Blick in den eigenen Garten und in die Weite. «Im Bereich des Kellers werden wir den Garten noch aufschütten, damit sich das Haus an einen grünen Hügel anlehnt, bevor der Waldgarten beginnt», erklärt Marloes das geplante Finish.

Das schwarze Haus im Forest Garden: Die Dachfenster bringen das gewünschte Nordlicht in das Atelier der Architektin. Das grosse Wohnzimmerfenster überblickt den Garten und die umliegende Landschaft.

Für den Waldgarten (Food Forest) ist Thijs zuständig. Die Aufgabe bedeutet ihm sehr viel. Er wird nämlich nicht weiterhin als Compliance-Officer arbeiten, sondern mit landwirtschaftlichem Gartenbau eine neue berufliche Zukunft aufbauen. Sein Traum ist es, naturnahe Lebensräume zu schaffen, die vielen Pflanzen und Tieren einen Raum bieten und gleichzeitig dem Menschen die Versorgung mit Obst, Gemüse und die Tierhaltung ermöglichen. Von der Idee, sich als Kleinproduzenten in Oosterwold einer landwirtschaftlichen Genossenschaft anzuschliessen, halten beide zurzeit noch wenig: «Zuerst produzieren wir in unserem Garten für uns selbst und pflanzen an, was wir wollen. Dazu gehört auch das eine oder andere Experiment, damit wir mit dem Waldgarten wertvolle Erfahrungen sammeln können.» Mit der ersten, grösseren Ernte rechnet Thijs in zwei bis drei Jahren. Es fällt leicht, sich vorzustellen, wie sich das markante schwarze Haus und der Waldgarten bis dann noch besser ergänzen. Die Bäume, die Thijs gepflanzt hat, werden bis zu sieben Meter hoch.

 

Nachbarschaft / Blick aus dem Wohnzimmer in den eigenen Forest Garden, der heranwächst. Im Hintergrund ist eine von den Architekten SLA (Amsterdam) realisierte Wohnzeile aus mehreren Privathäusern
Die Studienreise wir durch die Stiftung Otto Pfeifer unterstützt.