Gedanken aus Ecuador zum Kampf um die neuen Präsidentschaften in Ecuador und in den USA.

Im Geschäftsalltag, wie in den Medien und in Fachdiskussionen scheint kaum mehr Platz übrig zu sein für Orte, Themen und Meinungen zwischen Schwarz und Weiss, zwischen Gut oder Böse, zwischen go or no go. In der Politik Ecuadors geht es in diesen Tagen und noch bis zum 28. September 2008 um ein si o no a la constitución, um ein Ja oder Nein zur neuen Verfassung des Landes. La constitución ist ein persönliches Projekt des Staatspräsidenten Raffael Correa; die bevorstehende Abstimmung zum Referendum deshalb vor allem ein Ja oder Nein zur politischen Persönlichkeit Correa, der für viele ein Hoffnungsträger auf eine bessere und stabilere Zukunft darstellt. Zu selben Zeit, wie in Ecuador tagtäglich über die Grundzüge des politischen Zusammenlebens debattiert wird, findet weiter nördlich, in den USA, der Wahlkampf um die Nachfolge der Bush-Präsdentschaft statt. Auf meiner gegenwärtigen Reise durch Südamerika treffe ich sehr viele Amerikaner/innen. Nicht selten vertreten sie die Meinung, dass es auch bei der Wahl des neuen Präsidenten letztlich um eine einfache Frage geht: schwarz oder weiss?

Weniger Inhalt, kurze Sätze: Reden als Sightseeing-Tour

Dass in den Staaten die öffentliche Argumentation um politische Inhalte längst von der rhetorischen Taktik einer Common-Sense-Politik abgelöst worden ist, wurde am Beispiel von George Bushs Reden wissenschaftlich untersucht und bestätigt: Der Inhalt in den Reden nimmt ab, die Sätze werden immer kürzer, und die Reden orientieren sich hauptsächlich am Ziel, direkt oder via Medien, möglichst jene Themen positiv oder negativ auf den Punkt zu bringen, die die Leute, das jeweilige Zielpublikum, schon im Kopf und für sich bewertet hat. Das Phänomen der Common-Sense-Rhetorik in der Politik ist deshalb so etwas wie sprachliches Sightseeing. Man reist nicht, um Dinge kennen zu lernen, sondern, um sich die Dinge, die man schon kennt und wertvoll schätzt, vor Ort bestätigen zu lassen. Die politische Rede als Sightseeingtour hat demnach nicht das Ziel, Argumente zu vermitteln und auszutauschen, sie will vorhandene allgemeine Meinungen bestätigen, und den kleinsten gemeinsamen Nenner im Kopf der Zuhörer und Medienkonsumenten schwarz oder weiss auf den Punkt bringen: diese Form der persönlichen Bestätigung ist schmerzlos, nicht anstregend und so etwas wie Vertrauen als Produkt, zubereitet und verpackt nach der Art von Convenience-Food.

Eben doch nur schwarz-weiss

Welchen Beitrag eine solche Rhetorik an die Entwicklung eines Landes leistet, hat der ehemalige Schachweltmeister Garry Kasparov in  seinem Buch How Life imitates Chess formuliert: “No advantage, no improvement, can be found in what is obvious, or identical, for everyone”(p.3). Immerhin: Ein Blick auf die Rhetorik im gegenwärtigen US-Wahlkampf liefert ein gutes Argument für die Behauptung, dass unser Alltag und eben Ereignisse wie der Kampf um die Präsidentschaft in den USA, mit dem demokratischen Schwarzen Barack Obama und dem Weissen McCain im Endkampf, tatsächlich von einer einfachen Grundfrage entschieden wird: Schwarz oder Weiss?