Pola Koch, Steffen de Rudder und Stefan Signer nehmen mit New Public Spaces. Europäische Strassenräume des 21. Jahrhunderts (Verlag M BOOKS, Weimar 2025) ein Megathema auf: Die Transformation öffentlicher Räume in der zeitgenössischen Stadtplanung. Das Buch bildet ein aktuelles Lernfeld aus der Praxis ab – mit eher wenig theoretischer Tiefe.
sta_Visp. New Public Spaces widmet sich dem Wandel öffentlicher Räume im Spannungsfeld von Gestaltung, Nutzung, Kontrolle und gesellschaftlichem Wandel. Das Buch versucht, den Begriff des öffentlichen Raums neu zu denken – jenseits klassischer Dichotomien wie öffentlich und privat oder offen und geschlossen. Es reagiert damit auf gegenwärtige Entwicklungen wie die Privatisierung und Kommerzialisierung sowie die soziale Exklusion, der Ausschluss von Menschengruppen in öffentlichen Räumen.
Das Buch versammelt 28 Beispiele aus der Praxis. Sie wurden als konzeptionell und gestalterisch überzeugende Strassenraumgestaltungen der letzten 22 Jahre ausgewählt. Die Beispiele aus 14 europäischen Städten sind zeichnerisch und fotografisch dokumentiert und mit den Begriffen Konzeption, Gestaltung und Ausstattung beschrieben. Ausgewählt wurden nur umgesetzte Projekte. Einen Mehrwert für die Praxis bietet der interdisziplinäre Zugang bei der Analyse und Beschreibung der Beispiele: Stadtplanung, Architektur, Soziologie und politische Theorie greifen ineinander. Besonders positiv fällt die Aktualität und Vielfalt der Fallbeispiele auf – von klassischen öffentlichen Plätzen über konsumorientierte Zwischenräume bis hin zu temporären Eventräumen. Die Spannweite der Beispiele steht sinnbildlich für den bunten Strauss bzw. die Vielschichtigkeit heutiger Stadträumen. Auch der gesellschaftskritische Anspruch überzeugt: Die Kritik an der Kontrolle u.a. durch Technologie und dem Verlust echter Öffentlichkeit ist präzise formuliert. Die politische Dimension von Gestaltung wird sichtbar.
Allerdings zeigt sich auch eine inhaltliche Schwäche in der Struktur: Die Vielzahl an Fallstudien wirkt streckenweise beliebig und überambitioniert. Eine klarere Typologie oder systematische Ordnung fehlt, was die direkte Vergleichbarkeit nahezu unmöglich macht. Zudem ist die analytische Tiefe uneinheitlich – manche Beispiele sind sehr sorgfältig analysiert, andere bleiben eher beschreibend. Nicht gefallen kann die grafische Umsetzung: Die Pläne und Visualisierungen sind eher schlicht gehalten, grafisch uneindeutig und daher als Kommunikationsmittel unglücklich gewählt. In einem Buch, das sich mit Raumgestaltung befasst, wäre eine visuell stärkere Argumentation wünschenswert .
Theoretisch lässt sich das Buch im Umfeld von Henri Lefebvres „Recht auf Stadt“, Richard Sennetts „Offene Stadt und Jane Jacobs’ Ideen urbaner Vielfalt verorten. Es führt diese Perspektiven in Richtung aktueller Raumpraktiken weiter, schafft jedoch nicht deren theoretische Tiefe. Die Stärke ist und bleibt das angebotene Lernfeld, die Sammlung von konkreten Beispielen.
„New Public Spaces“ ist ein ambitionierter und aktueller Beitrag zur Debatte um die Zukunft öffentlicher Räume – mit wichtigen Impulsen für Planung, Forschung und Praxis. Seine Stärke liegt in der gesellschaftspolitischen Analyse, seine Schwäche wohl in der methodischen Stringenz. Wer Orientierung im Dickicht der neuen Raumformen sucht, findet hier anregende Beispiele – wer systematische Tiefe sucht, wird sie nur punktuell finden.