Nouvelles bôites! Die aktuelle Gruppenausstellung im Kunstmuseum Luzern setzt sich mit den Räumen der Architektur Jean Nouvels auseinander. “Die Museumsräume sind perfekt”, betonte die Kuratorin Fanni Fetzer an der Vernissage zu ihrer Antrittsausstellung in Luzern. Fast perfekt. Was Jean Nouvel nämlich nicht geschafft hat, gelingt nun erstmals in der aktuellen Ausstellung dem Künstler Jim Isermann: die perfekte Museumsdecke.
(sta) Perfekt vorgestellt ist nicht dasselbe, wie perfekt gebaut, denkt man sich beim Anblick der an den Rändern deutlich verschatteten, abgehängten Lichtdecke im Museumsteil des KK. Jedoch: Zwölf Jahre nach der Eröffnung interessiert sich kaum jemand mehr dafür, was damals konstruktiv, finanziell und überhaupt schief lief. Man stelle sich die Reaktionen vor, wenn die neue Kuratorin im Namen der perfekten Kunstinszenierung gerade jetzt, gleichzeitig mit der Dachsanierung beim KKL, einfordern würde, den ästhetischen Mangel an der Museumsdecke zu beheben! Manuela Jost, die Präsidentin der Kunstgesellschaft und neu gewählte Baudirektorin der Stadt Luzern, wäre von dieser Idee wohl kaum entzückt. Lassen wir es deshalb bei der gedachten Perfektion von Jean Nouvels Innenleben im Kunstmuseum bleiben, denn die Ausstellung soll ja explizit nicht als Kritik an der Museumsarchitektur verstanden werden. Es handelt sich um eine kuratorische Untersuchung.
Jim Isermann Drop Ceiling 2011, Foto: Stefano Schröter
Nouvelles bôites! befragt das Kunstmuseum nach seinem Potenzial, und zwar in jedem einzelnen Raum anders: einmal mithilfe einer zwar bunt “gemalten” aber umso gemeineren Irritation der räumlichen Wahrnehmung (Juan Munoz); dann in Form einer mit minimalem Materialaufwand verspiegelten Black-Box (Spiegellampen von Kitty Kraus); andernorts mit dem Designer-White-Cube von Jim Isermann (Drop Ceiling) und schliesslich sogar durch die Inszenierung eines permanenten Übergangs zwischen Black & White während der ganzen Ausstellungsdauer (Malaktion von Nedko Solakov).
“Sinnlich, kunstvoll soll ein Nachdenken über die Räume des Kunstmuseums Luzern und die Präsentationsbedingungen von Kunst angeregt werden”, so die Kuratorin, die sich an der Vernissage ganz in Rot präsentierte. Fetzer wagt es mit der Ausstellung tatsächlich, ihre Gäste in die Metakommunikation über Kunst und Architektur zu verführen. Das ist in Luzern ein mutiger Schritt, hat doch der Austausch über die Bedeutung des KKL als Gesamtkunstwerk, als Emblem einer cité nouvelle in der Stadt Luzern, bis heute nicht stattgefunden. Dass Nouvelles bôites! diese Auseinandersetzung zumindest innerhalb des Museums gelingt, liegt daran, dass die Art und Weise einen gewissen Witz hat: Witzig ist auch, dass Jim Isermann ausgerechnet in den Räumen von Jean Nouvel’s nicht ganz gelungener Museumskiste mit seinem Deckenraster aus 170 Platten im handelsüblichen Format eine zweite, lichtdurchlässige Museumsdecke schafft. Und die ist nun wirklich perfekt.