«Wir sind eine dörfliche Gemeinschaft, keine Hippies.»

Die letzten Meter mit dem Velo bis zum Haus am Frederik van Eedenweg in Oosterwold sind holprig und staubig. Die Pflästerung der gemeinsamen, privaten Zugangsstrasse ist jedoch in Arbeit, ein Zeichen dafür, dass sämtliche Parzellen der Siedlung bebaut sind. «Nach langer Diskussion mit allen Nachbarschaften haben wir uns gegen Asphalt entschieden», berichtet die Tochter von Harry Ackermann. Er sitzt mir am Küchentisch gegenüber – aufmerksam flankiert von seiner Frau Loes und Tochter Jorien.

Harry Ackermann ist von Beruf Lastwagenfahrer. Seine Wurzeln hat er im ländlichen Groningen. Die Arbeit hat ihn und Loes schon vor über 20 Jahren nach Almere Stad verschlagen. 2018, also erst vor vier Jahren, haben sie von der Stadt Almere in Oosterwold 1’600 m2 ehemaliges Landwirtschaftsland erworben, damals zum Preis von 41 € pro Quadratmeter. Danach sind sie zu viert «hinaus nach Oosterwold» gezogen. «Gute Freunde erzählten uns damals von einem speziellen Projekt mit vielen Möglichkeiten und günstigen Landpreisen, das Angebot hat uns vor Ort sofort überzeugt», erinnert sich Loes an den Entscheid, hierher zu ziehen. Wie in Oosterwold üblich, lebten die Ackermanns zuerst auf der eigenen Baustelle im Wohnwagen. Die eineinhalb Jahre bis zum Einzug 2019 sind der Familie in guter Erinnerung: «Eng war es zu viert schon, und wir sassen nicht selten mit Nebelhauch am Esstisch». Wichtiger sei im Nachhinein jedoch gewesen, dass das Zusammenleben auf kleinem Raum und mit wenigen Dingen ganz gut funktionierte, so Harry. 

OP ROAKELDAIS, Baujahr 2019. Das Haus der Familie Ackermann hat 4 1/2 Zimmer und eine zweigeschossige Halle. Der grosse Obst- und Gemüsegarten liegt (nicht sichtbar) auf der Rückseite.

Das Eigenheim der Ackermanns ist funktional und überschaubar: Die drei Schlafzimmer, zwei Bäder und ein zusammenhängender Wohn-, Ess- und Küchenbereich sind auf zwei Etagen organisiert. Die zentrale, zweigeschossige Halle mit Schiebetüren und eine Raumhöhe von drei Metern sorgen für Offenheit und Grosszügigkeit. «Der Entwurf ist von uns, Profis haben uns bei der Planung und Umsetzung unterstützt». Wichtig sei gewesen, so Harry, ein einfaches Holzhaus zu bauen. Die Energie kommt von einer Wärmepumpe und der PV-Anlage auf dem Giebeldach. Und wie kam es dazu, das Eigenheim schwarz zu streichen? «Uns gefällt der nordische Stil, der Kontrast zwischen der schwarzen Fassade und den weissen Fenstern.» 

Auch die Ackermanns sind verpflichtet, die Hälfte ihres Grundstücks agrarisch zu nutzen. Das Holzhaus hat eine Grundfläche von 154 m2 und konsumiert somit die mögliche Ausnützung bei weitem nicht vollständig. Es sind der Freiraum, der eigene Garten und die Aussicht in die Landschaft, die Harry auf dem eigenen Land in Oosterwold besonders schätzt: «Unser Leben ist hier dadurch weniger mit Stress belastet, die Menschen in der Nachbarschaft kennen einander und sie sind hilfsbereit.» Und wie könnte man das Zusammenleben in Oosterwold beschreiben? «Wir leben in einer dorfähnlichen Gemeinschaft und sind trotzdem keine Hippies». Auf ihrer Parzelle hat die Familie einen Obst- und Gemüsegarten angelegt. «Wir produzieren mit unserer eigenen kleinen Landwirtschaft bereits heute mehr Produkte, als wir selbst verwerten können», so die beiden Frauen, die es durchaus mögen, dass der Überschuss der Nachbarschaft und Freunden zugutekommt.

Einen Grund, aus Oosterwold wegzuziehen, kann und will sich Harry partout nicht vorstellen. «Haus, Garten und der ökologische Fussabdruck sind so geworden, wie wir sie uns als Familie wünschten und gemeinsam verwirklichten.» Auch den spekulativen Anstieg der Landpreise in Oosterwold, der eher Investoren und eine Käuferschaft mit Renditeinteressen, als Menschen mit dem Wunsch nach einem ökologiefreundlichen, gemeinschaftlich organisierten Lebensumfeld anzieht, kommentiert er gelassen. Rund 120 € pro Quadratmeter beträgt der staatliche Landpreis in Oosterwold aktuell. Ackermanns wissen von Handänderungen in der Nachbarschaft, bei denen der Marktpreis noch einmal ein Vielfaches darüber liegt. Das liege wohl auch daran, erklärt sich Harry die Preisspirale, dass Käufer von bereits bestehenden Liegenschaften die Eigenleistungen und Risiken der Pioniere nicht mehr zu tragen hätten. Die Preise würden deshalb wohl noch höher steigen, stellen Ackermanns in Aussicht.

Wichtiger als die Landpreise ist Loes und Harry das Familienleben. Und was verbindet ihn persönlich, der beruflich viel unterwegs ist, mit dem Experiment Oosterwold bisher? «Die Möglichkeit, vieles selbst entscheiden und ohne Perfektion umsetzen zu können – dabei mit weniger auszukommen und den eigenen Wünschen nachzugehen.» Dazu passt irgendwie, was auf dem Schild an Ackermanns Fassade geschrieben steht: «Op Roakeldais», was soviel heisst wie: “Viel Glück!”

*Frederik van Eeden (1860-1932) war ein niederländischer Psychologe, Sozialreformer und Schriftsteller
Die Studienreise wir durch die Stiftung Otto Pfeifer unterstützt.