2018 machte Titus Gebel noch ein Geheimnis daraus, wo seine erste Freie Privatstadt entstehen sollte. Die NZZ am Sonntag hat mittlerweile über die Baustelle in Honduras berichtet. An anderer Stelle ist zu erfahren, dass Gebels Privatstadt nicht nur ohne Staat, sondern auch ohne traditionelles Bankensystem auskommen will. Ein anderer Stadterbauer, der US-Rapper Akon, hat seine Kryptomünze Akoin für den Bau von Akon City bereits im Markt.
Prospera, die Florierende, entsteht in Honduras
Titus Gebel bezeichnet sich selbst gerne als visionärer Realist. Fakt ist: In jungen Jahren hat er eine frustrierende politische Karriere in Deutschland erlebt, dafür aber mit Rohstoffhandel sehr viel Geld verdient. Zusammen mit weiteren reaktionär-liberalen Geldgebern will er seither so genannte Vertragsbürger in ein Paradies verführen, dorthin, wo Städte als gewinnorientierte Unternehmen ohne Staat geführt werden. Im Juni 2018 sprach Stadtfragen mit Gebel über das Vorhaben und sein Buch, das den Titel Freie Privatstädte. Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt (Aquila Urbis 2018) trägt. Wo und wann die erste Privatstadt entstehen sollte, war damals noch ein Geheimnis: “Zum Ort kann ich noch keine Auskunft geben. Wird der Standort zu früh öffentlich, drohen endlose politische Widerstände”, liess er sich damals zitieren.
Mit ihrem Artikel “Eigene Gesetze, eigene Polizei, eigene Stadt” in der NZZ am Sonntag vom 17. Oktober 2021 hat die Lateinamerika-Korrespondentin Sandra Weiss den Schleier gelüftet: Die Musterstadt Próspera soll auf honduranischen Karibikinsel Roatán entstehen. Es ist kein Zufall, dass die Freie Privatstadt für Wohlhabende und Freiheitsliebende ausgerechnet dort, im Umfeld von Armut, Korruption und politischer Instabilität, geplant ist: Die “Entmachtung der Politik”, so eine von Gebels zentrale Forderung, macht hier vielleicht sogar Sinn. Bei ihrem Besuch in Roatán hat die Korrespondentin tatsächlich eine Baustelle vorgefunden, die allerdings, trotz eingeführtem Privatstadtgesetz, angeblich stillsteht. So scheint es, dass die von Titus Gebel bereits 2018 befürchteten politischen Widerstände in der Karibik nun greifbar sind. Dennoch gehört der in Monaco lebende Gebel auf Roatán noch immer zur Gruppe der involvierten Investoren, das hat Sandra Weiss in der NNZaS bestätigt.
Die Spuren der anti-staatlichen Privatstadtbewegung führen in der Schweiz bis nach Müllheim im Kanton Thurgau. Just am Samstag vor dem NZZ-Artikel lud dort die Free Private Cities Foundation zur Veranstaltung Liberty of our Lifetime ein. Unter den Rednern waren auch Titus Gebel, als Direktor der Stiftung sowie der Gastgeber Daniel Model. In seinem palastähnlichen Modelhof betreibt der Unternehmer seit der Gründung 2006 den eigenen Staat Avalon. Model bekennt sich gemäss Medienberichten offen zur Ablehnung des demokratischen Staates Schweiz. Er zählt zu den grössten Arbeitgebern der Region. Ihm gehört das Verpackungsunternehmen Model AG mit Hauptsitz in Weinfelden. Sein Vermögen werde auf 200 bis 300 Millionen Franken geschätzt, so berichtete swissinfo.ch im April 2018.
Privatstadt meets Blockchain
Wer eine neue Stadt bauen will, benötigt eine gehörige Portion Mut, eine tragfähige Vision, Bauland und vor allem das Eine: finanzielle Mittel. Werden diese weder durch den Staat noch durch das traditionelle Bankensystem kontrolliert, trifft dies bei den Protagonisten der Privatstadt mitten ins Schwarze: Zu den eigenen Gesetzen und den eigenen Polizisten kommt auch noch das eigene, vom Staat unabhängige Geld hinzu: Zu den Libertären gesellen sich im Markt der Privatstädte die Krypto-Leute. Kein Wunder also, dass auf der Tagesagenda der Liberty of our Lifetime auch das Thema Blockchain stand. Sein Team überlege sich, gab Titus Gebel bereits vor dem Anlass (Interview vom 24. April 2021 auf BeInCrypto) zu Protokoll, inwieweit Kryptowährungen zu den Freien Privatstädten passen würden, und weiter: “Die Freien Privatstädte (…) wollen bestimmte Querulanten und Kriminelle nicht haben. Bitcoin ist eine Chance, weil es uns von Banken und anderen Legacy-Systemen abkoppelt. Außerdem haben wir die Möglichkeit, dass wir Investments über Bitcoin nutzen können. Wir verhandeln mit Menschen, die in der Zukunft leben.”
In guter Gesellschaft mit Rapper Akon
Gebel ist mit seiner Ausrichtung auf die Menschen der Zukunft in guter Gesellschaft mit dem US-Rapper Akon. Dieser ist zwar weniger wählerisch, was seine künftigen Stadtbewohner*innen angeht, jedoch ist er Gebel einen Schritt voraus, wenn es um das eigene Geld geht: Akon will mit der Krypotwährung Akoin (AKN) im Senegal, seiner Heimat, die Stadt Akon City finanzieren und betreiben, mehr noch: Die geplante Stadt mit einer Fläche von 2000 Hektar soll sinnbildlich den Kampf für ein besseres Afrika führen: One Africa. One Koin. lautet der Schlachtruf. Was über das Stadtprojekt bekannt ist, deutet daraufhin, dass mit Akon City eine Art ökotouristische Smart City geplant ist. Die veröffentlichten Renderings erinnern zudem an Dubai, angeblich wurden die Entwürfe auch dort gezeichnet.
Akon selbst soll das Projekt Green-Line-Wakanda nennen, in Anlehnung an die utopische Stadt im Marvel Comic Black Panther. Die Versprechen zum künftigen Nutzungsangebot in Akon City klingen nicht weniger verführerisch: Luxushotels, modernes Wohnen direkt am Meer und ein freier Zugang zu Krediten für Jungunternehmende. Bis 2030 soll die Stadt im Küstenort Mbodiène im Département Mbour, weniger als eine Autostunde vom neuen internationalen Flughafen von Dakar entfernt, gebaut sein. Trotz den vielen Versprechungen und den schönen Bildern wird das ehrgeizige Vorhaben medial und in der Kryptowelt unterschiedlich aufgenommen. Auch ein Anfänger wie ich erkennt beim Blick in die App Crypto News schnell, dass die Münze Akoin nicht zum Fliegen kommt. Harte Kritiker*innen halten das Projekt zudem nach wie vor für eine politische PR-Aktion der Regierung. Recherchen zum aktuellen Projektstand unterstreichen diese pessimistische Einschätzung: So hat das Internetportal africanews.com am 3. September 2021 berichtet, dass die Baustelle, ein Jahr nachdem der Sänger den ersten Stein der 6 Milliarden US-Dollar teuren Investition gleich selbst gesetzt hatte, vor Ort nichts weiter sei als Grasland, der Titel des Berichts spricht Bände: “Singer Akon’s Senegalese ‘Wakanda’ City unstarted, locals left in dark.” Fortsetzung folgt.